„Hier kannst Du schreien, wie Du willst …“ – Gedächtnisprotokoll zum Polizeiübergriff auf Katinka Poensgen am 20. Oktober

Wie in „Hessenschau“ und Presseberichterstattung zum 20. Oktober bereits vielfach berichtet wurde, wurde die Sprecherin der Anti-Nazi-Koordination, Katinka Poensgen (IG Metall) am 20.10. in ihrer Eigenschaft als Versammlungsleiterin einer ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration in Frankfurt-Bockenheim (Breitenbachbrücke) von BeamtInnen der 12. Hessischen Bereitschaftspolizeieinheit (Mainz-Kastel) angegriffen, beleidigt und mißhandelt. Wir dokumentieren ihr Gedächtnisprotokoll über diesen Vorgang. Gegen die beteiligten Polizisten wird Strafantrag aus allen in Frage kommenden Gründen gestellt. Inzwischen gibt es auch eine kurze Videoaufnahme von dem Vorgang, das mit einem Handy aufgenommen wurde

Katinka schreibt:

„Am 28.9.meldete ich als Mitglied des SprecherInnenkreises der Anti-Nazi-Koordination Frankfurt einen antirassistischen Stadtrundgang in Frankfurt-Hausen an. Dieser war als Gegenaktion gegen den Naziaufmarsch gedacht, der angekündigt und sofort von der Stadt verboten worden war.

Am 5.10. fand ein Kooperationsgespräch im Frankfurter Ordnungsamt statt, an dem für die Polizei u.a. Herr Aldenhoff teilnahm, der am 20.10 als mein Ansprechpartner und polizeilicher Einsatzleiter für unsere Aktion benannt worden war.

Am 10.10 erging eine Verfügung der Stadt Frankfurt, derzufolge unser Stadtrundgang nun nicht in Hausen, sondern in Bockenheim (Bockenheimer Warte – Adalbertstraße – Schloßstraße bis Breitenbachbrücke) erfolgen solle.

Unsere Demonstration begann ca. 12 Uhr an der Bockenheimer Warte und verlief völlig friedlich bis zur Breitenbachbrücke. Mehrfach fand dabei ein persönlicher sowie Handykontakt mit Herrn Aldenhoff statt. Die Zusammenarbeit lief reibungslos – es ist aufgezeichnet worden, wie oft wir während dieser Zeit miteinander telefoniert haben.

Um ca. 14.00 Uhr rief mich Herr Aldenhoff an und sagte mir: „Es liegen Nachrichten vor, daß sich gewaltbereite Linksradikale auf dem Weg zu Ihrer Kundgebung befinden!“

Um 14.30 Uhr rief er mich erneut an. Er sagte: „Die letzte Nachricht hat sich nicht bestätigt. Die Situation ist ruhig und friedlich.“

Um ca. 14.45 wurde unsere Versammlung ohne jeden erkennbaren Grund an der Breitenbachbrücke plötzlich von Polizisten in dunklen Uniformen eingekesselt, die von allen DemonstrationsteilnehmerInnen die Personalien feststellen wollten. Zu diesem Zeitpunkt standen wir am Bockenheimer Ende der Breitenbachbrücke (Ecke Rödelheimer Straße – ca. 100 – 200 m von der Polizeiabsperrung auf der Breitenbachbrücke entfernt).

Ich stellte über einen Dachlautsprecher meines PKW (Dienstwagen der IG Metall), von dem aus ich die Demonstration anführte, fest, daß wir uns bei einer angemeldeten und von der Stadt Frankfurt an diese Stelle verlegten Demonstration befänden. Es gebe keinen Grund, hier Personenfeststellungen durchzuführen. Ich forderte die Polizisten auf, dies sofort zu unterlassen. Ich würde nun den zuständigen Einsatzleiter (Herrn Aldenhoff) kontaktieren, um festzustellen, was denn los sei. Herr Aldenhoff war zu diesem Zeitpunkt, wie er mir zuvor mitgeteilt hatte, kurzfristig an einem anderen Einsatzort.

Bei dieser Durchsage wurde ich von einem Polizeibeamten massiv bedrängt. Er sagte zu dem neben ihm stehenden Polizisten: „Das lassen wir sie jetzt noch sagen, und dann ist die kleine Hexe dran!

Nachdem ich diesen Satz durch den Dachlautsprecher wiederholt hatte, damit ihn alle hören konnten, kündigte ich an, ich würde jetzt so, daß alles es mitbekommen könnten, den Einsatzleiter anrufen, damit alle hören könnten, was hier ablaufe.

In diesem Moment versuchte ein Polizist (möglicherweise namens Kröger), mir das Mikrofon des Dachlautsprechers aus der Hand zu reißen, packte mich an den Handgelenken (an meiner linken Hand habe ich eine relativ frische und noch schmerzende OP-Narbe von einer nicht lange zurückliegenden Ganglion-Operation), stieß mich ins Auto und riß den Anschluß des Dachlautsprechers heraus. Dann wurde ich ich von ihm an beiden Händen festgehalten.

Ich wehrte mich mit einem Tritt und schrie, er solle meine Hand loslassen, was er nicht tat. Ich wußte mir in dieser Situation nicht anders zu helfen, als ihm in die Hand zu beißen, mit der er meine rechte Hand gepackt hatte.

Daraufhin zerrten mich zwei weitere Beamte aus dem Auto und drückten mich mit dem Gesicht heftig auf ein danebenstehendes Polizeiauto, wobei meine Brille herunterfiel und zerstört wurde. Die beiden drehten mir beide Arme im Polizeigriff auf den Rücken und schleiften mich so bis zur Kreuzung Schloßstraße / Hersfelderstraße. Ich schrie und wiederholte mehrfach, daß mein linkes Handgelenk operiert sei und schrie vor Schmerz, woraufhin der Beamte mehrfach meinen rechen Arm ruckartig nach oben zog und einer von beiden sagte: „Hier kannst du schreien, wie du willst, hier hört dich sowieso keiner.

An der Ecke Schloßstraße / Hersfelderstraße wurden mir Handschellen angelegt und das Diensthandy der IG Metall abgenommen. Ich verlangte erneut, den Einsatzleiter, Herrn Aldenhoff zu sprechen. Hinzu kamen nun zwei Demonstrationsbeobachter, Dieter Hooge und Yildiz Köremezli-Erkiner. Dieters Auftreten führte dazu, daß mir die Handschellen abgenommen wurden, wobei mir die Bedingung gestellt wurde, daß ich nicht mit der Hand in die Tasche greifen dürfe. Später steckte mir ein Polizist das Handy wieder in die Jackentasche. Nun erschien der Einsatzleiter, Herr Aldenhoff, was dazu führte, daß ich umgehend freigelassen wurde.

Ein Polizeibeamter verfaßte einen Kurzbericht, in dem auch meine Schmerzen im linken Handgelenk und der rechten Schulter erwähnt wurden.

Das sollte ich unterschreiben. Um endlich zu meiner Veranstaltung zurück zu können unterschrieb ich, betonte aber, daß ich das dort Aufgeführte nicht wirklich lesen könne, da ich ohne meine Brille, die mir inzwischen kaputt zurückgegeben worden war, nicht lesen könne (ich bin rechtsseitig blind).

Der Durchschlag dieses Kurzberichts ist nicht vollständig lesbar. Er trägt die Nummer 036542.

Inzwischen habe ich nicht nur im linken Handgelenk und der rechten Schulter starke Schmerzen, sondern auch im rechten Ellenbogen und Unterarm, ein Hämatom an der linken Schläfe und starke Genickschmerzen. Seit Samstagabend bin ich deshalb in ärztlicher Behandlung.

Es liegen inwischen die Namen und Adressen von 11 ZeugInnen für diesen Sachverhalt vor.

Laut Aussage des Einsatzleiters der Polizei, Herrn Aldenhoff, vom selben Abend, haben inzwischen bereits drei Personen wegen dieses Vorgangs Strafanzeige gegen die Polizei gestellt.

4 Kommentare zu „„Hier kannst Du schreien, wie Du willst …“ – Gedächtnisprotokoll zum Polizeiübergriff auf Katinka Poensgen am 20. Oktober“

  1. Die Demonstration lief auf keinen Fall reibungslos bis zu diesem Zeitpunkt, sprich 14 Uhr. Wir waren um 11Uhr am Messekreisel, wo einige meiner Gruppe bereits ihre 2.! Personenkontrolle hinter sich hatten. Angekommen, versammelten sich nur wenige Menschen, deswegen wollten wir der Aufforderung der Polizei zum Römerbündnis zu gehen Folge leisten. Auf dem Weg zur nächsten Haltestelle klang auf einmal ein Lautsprecher der Polizei von hinten, wir sollten stehen bleiben… verdutzt gingen wir weiter, weil wir schließlich auf dem legalen Weg zu einer legalen Kundgebung waren. „Stehen bleiben, sie laufen in eine weitere Polizeikontrolle“ gut, ist ja nichts schlimmes dran, hatten ja schon 2 hinter uns. Nach 2 Minuten wurden wir von allen Seiten eingekesselt, mit sämtlichen Material was die Polizei zu bieten hatte (Motorräder, Busse, Streifenwagen usw.). Dieser ganze Aufwand für eine Gruppe von ca. 20 Minderjährigen.
    In dem Kessel wurde uns vermittelt, dass eine weitere Personenkontrolle stattfindet und wir dann sofot weiter können. Aus diesem „sofort“ wurden 1,5 Stunden. Nach Protest unsererseits ging die Kontrolle dann erst los. Dabei wurde immer eine Person von 2-3 Polizisten aus dem Kessel gezogen und komlett, von oben bis unten!!! kontrolliert, dabei waren sogar meine Boxershorts eine Untersuchung der Polizei wert. Mit gespreizten Beinen und meinem Gesicht an die Wand gedrückt verbrachte ich locker 8-10min an diesem weißen kaltem Rauputz einer Häuserwand , jenseits der restlichen Gruppe (kein Blickkontakt, keiner wusste, oder sollte wissen, was passiert)
    Dannach wurden noch Fotos von jeder Person gemacht, die als Präventivmaßnahme zu werten ist, einen Einspruch gegen die Fotos durfte ich machen, der aber nichts daran ändert, dass sie trotzdem Fotos machen, die eindeutig nicht zu einer Personenkontrolle dazu gehören.
    Nach dieser aggressiven Durchleuchtung meiner Person voller Schikanen und Beleidigungen und Beschuldigungen bekam jeder meiner Gruppe einen Platzverweiß für ganz Hausen.
    Ist dieser Vorgang noch Deeskalation? Wir wurden seit unserem Aufenthalt von der Polizei belogen und in die Irre geführt. Stetige Arroganz und Gewaltbereitschaft vermittelten eine angespannte Stimmung.
    Es gab eine Verhaftung eines Unbekannten aus der Gruppe, weil er in seinem Rucksack Rasierklingen zum Wechseln für seinen Rasierer dabei hatte.
    Ich selbst geriet in eine ähnliche Situation, weil ich die Spitze einer Patrone in meinem Geldbeutel hatte, die ein kleines Andenken eines Freundes war, weil diese von seinem Patronengürtel abgefallen war. Diese angebliche Spitze ist 2cm lang und hat eine Breite von 0,9mm, die Spitze ist Stumpf. Man brauch also wirklich eine entsprechende Einschlagwirkung, wie die eines Mg´s, um eine Wunde herbei zu führen.
    Andere musste ihre Sonnenbrillen und teilweiße auch Halstücher bei der Polizei lassen, da sie typische Vermumungsartikel darstellen.
    1. Es war kalt! Zitat der Polizei:“Wozu braucht ihr dann die Sonnenbrillen?“
    2. Im Winter steht die Sonne tief, und scheint somit direkt ins Gesicht, wofür der Samstag ja bestes Beispiel war.
    Sprich, wir wurden direkt verdächtigt und kriminalisiert.
    Letztendlich waren alle nach 2 Stunden frei. Es ist jetzt 13 Uhr!
    Die Demo zieht ohne uns los, da wir immer wieder durch Personalausweißkontrollen behindert worden sind.
    Am Ende konnten wir doch noch zur Breitenbachbrücke?, gelangen. Ich nehme an, dass wir einen Teil der angeblichen Linksextremen darstellten. Wie dies zu erkennen ist/war, ist mit allerdings unschlüssig, kein Black Blog Outfit, noch gefährliche Gegenstände, bis auf gefährliche Rasierer und Patronenhülsen…
    Ein Hoch auf das Demonstrationsrecht, die Polizei hat uns grundlos krimminalisiert und hat uns bestraft, bevor wir irgendetwas verbrochen haben, zudem verhinderten sie uns die Teilnahme an Kundgebung und Demonstration. Laut Grundgesetz ist jeder Mensch unschuldig bevor seine Schuld nicht 100%ig bewiesen worden ist.
    Die Bullen schützten/schützen das Demonstrationsrecht der Faschisten, aber nicht die Rechte der Demokraten!
    Ein gutes Beispiel für den Überwachungsstaat, Polizeiwillkür und Sadismus von Oben für alle Minderjährigen in meiner Gruppe, die so ihre 1. Demo wahrnahmen.

    Genau so ist es zahlreichen Bekannten meinerseits ergangen!

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  2. Solidaritätserklärung für Katinka Poensgen:

    Wir als Betriebsräte und IGM Vertrauensleute von SiemensVDO in Karben erklären uns mit Katinka Poensgen und ihrem Einsatz gegen Naziaktivitäten jeglicher Art solidarisch, wünschen Katinka schnellstens gute Besserung und verurteilen den Polizeieinsatz schärfstens.

    Katinka Poensgen stand dort nicht nur als Privatperson, sondern als IG-Metall-Funktionärin auch in unserem Namen.
    Im Namen der IGM-Frankfurt, die sich gemäß der Satzung der IGM eindeutig gegen Rassismus und Volksverhetzung einsetzt.

    Es wäre Aufgabe der Polizei, die Auflagen der Nazidemo zu überwachen und gegen diese konsequent vorzugehen, als sich, wie leider fast immer, mehr um die Kontrolle und Behinderung der GegendemonstranInnen zu kümmern.

    Es ist leider nicht das erste Mal, dass die Polizei durch die gewaltsame Entwendung des IGM-Megaphons versucht unsere Kollegin Katinka Poensgen mundtot zu machen.
    Hier sei z.B. an den Polizeiübergriff auf Katinka erinnert, währenddessen es die Polizei anlässlich eines morgendlichen Weckrufes in Kronberg ebenfalls auf das IGM-Megafon von Katinka abgesehen hatte. HR3 hatte damals, während des Übergriffs, live berichtet. Diese Vorgehensweise wird nun noch gesteigert, in dem Katinka gewaltsam Schmerzen zugefügt werden.
    Solche Gewalttätigkeiten seitens der Polizei gegen Gewerkschaftsfunktionäre sind inakzeptabel, untolerierbar und müssen in direktem Zusammenhang mit der Nazidemo und den tendenziösen Äußerungen der Polizisten besonders sorgfältig verfolgt werden.

    Wenn Recht zu Unrecht wird – wird Widerstand zur Pflicht!

    Betriebsrat und IGM-Vertrauensleute Siemens VDO-Karben.

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  3. Solidaritätserklärung für Katinka Poensgen
    Wir, die IGM-Betriebsräte und IGM-Vertrauenskörperleitung von Siemens IT Solutions and Services in Frankfurt, erklären uns mit Katinka Poensgen und ihrem Einsatz gegen Naziaktivitäten jeglicher Art solidarisch und schließen uns der Solidaritätserklärung unserer KollegInnen von Siemens VDO Karben an.
    Auch wir wünschen Katinka schnellstens gute Besserung und verurteilen den Polizeieinsatz aufs Schärfste.
    Es kann nicht sein, dass es zum stillschweigenden Gewohnheitsrecht wird, die Personendaten aller Bürger und Bürgerinnen, die ihr grundgesetzliches Recht der Demonstrationsfreiheit gegen ein Wiederaufleben des nationalsozialistischen Wahnsinns wahrnehmen, nach Gutdünken und Belieben zu erfassen.
    Es kann nicht sein, dass Bürgerinnen und Bürger, die an einer Demonstration des Römerbergbündnisses teilnehmen, durch Aktionen der Polizei körperlich zu Schaden kommen.
    Und es ist für eine Demokratie untragbar, wenn sich diese Übergriffe gegen die Organisatorin der Demonstration richten, die zudem eindeutig als Gewerkschaftsvertreterin der IGM zu erkennen war und von den handelnden Polizisten als solche auch identifiziert wurde.
    Katinka Poensgen stand dort nicht nur als Privatperson sondern als IG-Metall-Funktionärin auch in unserem Namen.
    Solche Gewalttätigkeiten seitens der Polizei gegen Gewerkschaftsfunktionäre sind inakzeptabel, untolerierbar und müssen in direktem Zusammenhang mit der Nazidemo und den tendenziösen Äußerungen der Polizisten besonders sorgfältig verfolgt werden.
    Illegales Handeln der Polizei darf nicht hingenommen werden!

    IGM-Betriebsräte und IGM-Vertrauenskörperleitung Siemens IT Solutions and Services Frankfurt

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  4. Vielleicht wäre es ein erster Schritt, wenn die engagierten Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen erstmal die GdP aus dem Gewerkschaftsbund werfen würden. 🙂

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