Frankfurts Beitrag zum 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus: Nazidemos jede Woche.

Der Auftritt der „Freien Bürger für Frankfurt“ inklusive des deutschnationalen Stadtverordneten Hübner am gestrigen 4. Mai war der sosundsovielte in einer ganzen Serie von Versuchen der PEGIDA-Bewegung, in Frankfurt Fuß zu fassen. Seit dem 5. Januar 2015, also seit fast 5 Monaten konkurrieren Gruppen von IslamhasserInnen, Rassistinnen und Nazis darum, wer am Besten Menschenhass auf Frankfurter Plätzen: dem Rossmarkt, der Hauptwache, dem Römerberg verbreiten kann. Dabei kann zum Beispiel völlig offen zum bewaffneten Kampf gegen Muslime aufgerufen werden, der Koran mit „Mein Kampf“ und Mohammed mit Hitler verglichen werden, der Antifaschismus in den Dreck gezogen und eine Sprache Goebbels’scher Prägung verwandt werden. Unter Polizeischutz. Gestern zum Beispiel bezichtigte Heidi Mund in einem ihrer verbalen Rundumschläge die Politiker der BRD, also auch die Frankfurts, auf dem Römerberg als „Volksverräter„, die Medien der Stadt erneut als „rotversiffte Lügenpresse„.

Dies alles unter dem Schutz der Polizei, die sich gestern nach Kräften bemühte, ihren eigenen besonderen Beitrag zu PEGIDAs Hetze zu liefern. Die exakt 36 PEGIDAzis wurden erneut in einem Pferch auf dem Römerberg polizeigeschützt. Nach knapp 40 Minuten Hetze direkt vor der Alten St. Nikolaikirche brachen sie ohne das rituell an dieser Stelle eigentlich vorgesehene Nationalhymnensingen, zu einer Kundgebung Richtung Eiserner Steg auf – im Laufschritt, behelmte Polizei rechts und links. Das war offenkundig mit der Polizei vorher so abgesprochen – diese hatte deshalb kurz zuvor über Twitter verkündet, es gebe jetzt gleich eine Demonstration. Die aus etwa 40 Personen ihnen gegenüberstehende antifaschistische Blockade am Haus Wertheim war zu klein und isoliert – zeitgleich hatte nämlich eine BFE-Einheit den Rest der Römerbergs nach Süden abgeschirmt. Die Blockade wurde mit routinierter polizeilicher Brutalität: Tritten, Schlägen ins Gesicht, Armverdrehen, „Schmerzgriffe“, aufgelöst.
Dabei wurde eine Fahne der IG Metall polizeilich entwendet, ihr Träger geschlagen und zu Boden geworfen, die Fahne über einen Bauzaun „entsorgt“. Ein Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen (VVN-BdA) wurde ebenfalls geschlagen und zu Boden geworfen, seine Fahnenstange zerstört, die Fahne der VVN, in Erinnerung an die „Zebrakleidung“ der KZ-Häftlinge blau-weiß gestreift und mit dem roten Winkel der „Politischen“, ist seither verschwunden. Das ist der Beitrag uniformierter Schläger der Frankfurter Polizei vier Tage vor dem 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus – abgeliefert auf dem Frankfurter Römerberg. Ein denkwürdiges Ereignis, das es verdient, als Beleg für das nach 1945 ungebrochene Feindbild der bundesdeutschen Sicherheitsbehörden, nämlich Linke und AntifaschistInnen, sorgfältig erinnert und weitergegeben zu werden.

Möglich ist das alles aufgrund der Nonchalance und frankfurterischen Wurschtigkeit der hiesigen“Zivilgesellschaft„, die es mit Gleichmut zu ertragen scheint, daß sich Nazis und RassistInnen seid Monaten Woche für Woche zB. mit dem Nazi-Slogan: „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ versammeln und dabei zugleich größenwahnsinnig verkünden: „Wir sind das Volk„. Ein einmaliges Treffen der HonoratiorInnen der Stadt am 26. Januar auf demselben Römerberg mit der Standard-Beschwörung der angeblich „weltoffenen, liberalen, toleranten“ Kultur der Stadt war ihnen genug, seither schweigen sie beredt.
Die Versuche, die rassistischen Aggressionen von PEGIDA nicht nur protestierend zu umrahmen, sondern widerständig unmöglich zu machen, zu verhindern, überlässt man gleichsam zurückgelehnt-beobachtend der antifaschistischen Bewegung der Stadt und schaut klammheimlich zu oder weg, wie dieser Konflikt Mal für Mal mithilfe der Polizei so gelöst wird, daß Nazis und RassistInnen entgegen aller vollmundigen Behauptungen von OB bis Kirchen usw. eben durchaus einen, nein mehrere Plätze in Frankfurt haben. Ja, sie bekommen sogar wie gestern auch noch die Möglichkeit, die politisch Verantwortlichen für das fatale Sicherheitskonzepte der Stadt unter Polizeischutz als „Volksverräter“ zu titulieren.

PEGIDA Frankfurt zog aufgrund dieser für sie günstigen Situation gestern über den Eisernen Steg und nach Sachsenhausen, wo man erneut auf eine rasch improvisierte antifaschistische Blockade traf. Die Polizei hatte mittlerweile, um die Sicherheit der PEGIDAzis besorgt, die meisten mainbrücken gesperrt. Die dennoch zustande gekommene Blockade wurde wieder mit polizeilicher Gewalt aufgelöst. Zum Schluss stieg Heidi Mund in einen Polizeiwagen und wurde auf Staatskosten vermutlich nach Hause kutschiert, der Rest ihrer Schar fuhr vom Schweizer Platz mit der U-Bahn nach Hause.

Am Zelt der derzeitigen Aktionswoche gegen Faschismus und Krieg, die anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung vom Faschismus an der Hauptwache stattfindet, wurde die Frankfurter Bevölkerung in ausführlichen Redebeiträgen von der Situation unterrichtet, die beiden nacheinander ankommenden antifaschistischen Spontandemonstrationen herzlich begrüßt. Zwei ukrainische Faschisten, die sich unter die Leute gemischt hatten, fingen kurz danach eine Schubserei an, bei der ein Genosse an der Hand verletzt wurde, die eine halbe Stunde vorher schon durch einen Polizisten malträtiert worden war. Symbolisch für diesen Tag.

In einer Nachbesprechung gestern wurde von einem daran beteiligten Sozialdemokraten kolportiert, der SPD-Vorsitzende der Stadt, Mike Josef, solle geäußert haben, er habe gehofft, PEGIDA werde „irgendwann von selbst aufhören„, was an die „Strategie“ des ehemaligen sozialdemokratischen Bürgermeisters Vandreike erinnert, die NPD aus Frankfurt „wegtolerieren“ zu wollen. Diese fatale politische Fehleinschätzung dürfte für alle, die in Frankfurt nicht sowieso eigentlich und irgendwie mit PEGIDA sympathisieren, typisch sein. Sie ermöglicht PEGIDA überhaupt nur. Denn wenn die politisch Verantwortlichen in der Stadt das Verhalten wachsender Polizeigewalt nicht durch ihr Schweigen oder gar Anfeuern decken würde, gäbe es in Frankfurt keine PEGIDA- oder Nazi-Aufmärsche. Noch bei jeder PEGIDA-Kundgebung standen den Rassistinnen jeweils eine um etwa den Faktor 10 größere Zahl von Antifaschistinnen gegenüber.
Ohne Polizeischutz samt politischer Rückendeckung des schwarzgrünen Magistrats und des SPD-Oberbürgermeisters Feldmann gäbe es weder PEGIDA noch sonstige Nazievents in Frankfurt.

Es ist deshalb nicht zu erwarten, daß künftige PEGIDA-Auftritte nach dem bisherigen Drehbuch verlaufen werden.

Was macht eigentlich das Römerbergbündnis?

Unter maßgeblicher Beteiligung des seinerzeitigen evangelischen Propstes für Frankfurt, Dr. Dieter Trautwein (1928 – 2002) war in den 1970er Jahren das Römerbergbündnis gegründet worden, um sich direkt am Ort des Geschehens Nazis der NPD in den Weg zu stellen, die damals mehrfach versucht hatten, auf dem Römerberg zu demonstrieren. Das Bündnis trat sowohl entschlossen als auch breit auf. Es umfasste und umfasst bis heute die Jüdische Gemeinde, die beiden Kirchen, den DGB Frankfurt und den Frankfurter Jugendring. Für den 26. Januar diesen Jahres hatte sich, nach wochenlangen Diskussionen im Vorfeld, dieses Römerbergbündnis mit vielen weiteren Organisationen dafür ausgesprochen, eine breite und große Kundgebung auf dem Römerberg abzuhalten. Ausdrücklich sollte es, wie das die nicht ganz unumstrittene Mehrheit der Veranstaltenden im Vorfeld festgelegt hatte, nicht „gegen PEGIDA„, sondern lieber „für etwas“ demonstriert werden: für „Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit.“ Heraus kam eine Kundgebung mit 12.000 Menschen auf dem Römerberg, schön ausgewogen mit Oberbürgermeister (SPD), Stadtverordnetenvorsteher (CDU – von dieser Partei war während aller Vorbereitungsarbeiten kein/e einzige/r Vertreter/in zu sehen oder hören gewesen), einem Sprecher der in Frankfurt lebenden Flüchtlinge, VertreterInnen von Religionsgemeinschaften, KAV, Gewerkschaften, Jugend. Währenddessen hielten 4500 DemontrantInnen PEGIDA Frankfurts damals bereits dritten Demonstrationsversuch praktisch in Schach. Während es auf dem Römerberg hieß: „In Frankfurt ist kein Platz für Rassismus!“ verteidigte die Frankfurter Polizei genau diesen Platz für die RassistInnen von Heidi Mund, NPD, Autonmen Nationalisten usw. einige Hundert Meter entfernt. Daß sie anschließend nicht duch die Frankfurter Innenstadt demonstrieren konnten, war nicht das Verdienst verbaler Bekundungen der HonoratiorInnen auf dem Römerberg, sondern lag allein daran, daß die Frankfurter PEGIDAzis schlicht nicht aus ihrem Pferch herauskonnten. Inzwischen hat Heidi Mund, erneut umzingelt und polizeigeschützt, am 30. März auch auf dem Römerberg demonstriert. Ihr Freigehege umfasste dabei euch jenen Ort, an dem eine in den Boden eingelassene Plakette an die Bücherverbrennung der Nazis am 10. Mai 1933 erinnert, seinerseits übrigens maßgeblich organisiert von einem evangelischen Pfarrer, Otto Fricke (der allerdings wenige Monate später seinen Irrtum einsah und in der Bekennenden Kirche aktiv wurde). Während also Mund und die sie begleitenden Nazis auf dieser Erinnerungsplakette herumtrampeln durften, schwieg das Römerbergbündnis. Es war auf dem Römerberg nicht präsent, es gab nicht einmal eine Erklärung ab, schon gar nicht mobilisierte es die Stadtöffentlichkeit. Damit stellte dieses Bündnis die politischen Grundlagen seiner Existenz in Frage. Diese lauteten eigentlich: das Bündnis werde immer dann aktiv werden, wenn Nazis sich auf dem Römerberg versammeln wollten. Aber auch ansonsten schwieg und schweigt das Römerbergbündnis laut und deutlich zu den sich ständig wiederholenden Auftritten von inzwischen drei PEGIDA-Gruppen in Frankfurt: auf der Hauptwache, dem Rossmarkt, demnächst wieder auf dem Römerberg, auf dem Heidi Munds Ex-PEGIDA-Truppe „Freie Bürger für Deutschland“ sich erneut versammeln will. In einem Offenen Brief an OB Feldmann übt jetzt ein Mitglied des Türkischen Volkshauses daran deutlich Kritik (Text). Das Römerbergbündnis schweigt zu den nationalistischen, islamhassenden, homophoben und rassistischen Äußerungen des Nazifreunds Michael Stürzenberger an Hauptwache und auf dem Rossmarkt. Es schwieg, als der dann doch nicht eintreffende Lutz Bachmann als Redner von „PEGIDA Frankfurt Rhein-Main“ direkt an der Katharinenkirche angekündigt war. Es schweigt auch jetzt, wo mit Karl-Michael Merkle alias „Michael Mannheimer“ einer der übelsten rassistischen Hetzer der Republik von Heidi Mund für den kommenden Montag auf dem Rossmarkt angekündigt wird: „Mannheimer“ hat u.a. einen Aufruf erlassen, in dem die deutsche Bevölkerung zum bewaffneten Bürgerkrieg gegen in Deutschland lebende Muslime aufgerufen wird. Es ist abzusehen, daß auch diesmal wieder die Polizeiführung Fäuste, Knüppel und Pfefferspray gegen alle diejenigen einsetzten wird, die sich diesem rassistischen Hassprediger in den Weg stellen wollen. Auch dazu vom Römerbergbündnis: dröhnendes Schweigen. Kein klares Wort. Kein Aufruf an die Bevölkerung, gegen solche Wahnsinnigen wie Mund, Stürzenberger, Merkle, die hessischen Naziführer Lachmann und Jagsch, die „Identitären“, die Nazis des „Freien Netz Hessen“ handgreiflich zusammenszustehen, gemeinsam mit Flüchtlingen und MigrantInnen durch die Tat zu beweisen, daß sich hier in Frankfurt alle als Gleiche unter Gleichen akzeptiert fühlen sollen. Nichts davon. Kein Aufruf, kein Transparent vor Ort, keine deutlich sichtbare Präsenz als Römerbergbündnis. Schweigen dazu, daß Brill, Mund, Weber und wie sie alle heißen, polizeilich beschützt gegen den angeblich gescheiterten Multikulturalismus hetzen können und damit gegen eine der wesentlichen Grundlagen des gemeinsamen Lebens von fast 200 Nationalitäten in der Stadt. Bei der Besetzung des Frankfurter Börneplatzes, unter dem bei den Bauarbeiten die Reste des jüdischen Ghettos zum Vorschein kamen, waren der jüdische Kommunist Peter Gingold (1916 – 2006) und der evangelische Propst Dieter Trautwein im Sommer 1987 bei denen, die damals gegen geltendes Recht den Bauzaun überstiegen und den Platz für weitere Arbeiten sperrten, bis ein einigermaßen würdiger Umgang mit den Ghettoruinen beschlossen war. Beide kommentierten auf diese den Rahmen des gesetzlich Erlaubten verlassende Weise am Besten nicht zuletzt auch die verwerflichen Äußerungen eines namhaften CDU-Vertreter des Frankfurter Magistrats: „1987 richteten sich die Bürger mit ihren Aktionen auch gegen die vom damaligen Bürgermeister Wolfram Brück geäußerte Behauptung, es habe in Frankfurt keine Judenverfolgung gegeben.“ (Wikipedia, weitere Belege dort). Peter Gingold, würde er heute noch leben, stünde und liefe an unserer Seite, wenn wir heute gegen polizeigeschützte Nazis und Rassisten auf die Straße gehen. Und zwar dort, wo sie sind. Seine letzte öffentliche Rede, im August 2006, galt anlässlich der Verhinderung eines Naziaufmarschs in Fulda der Mahnung, Nazis nie und nirgends einen Fußbreit öffentlichen Raum zu geben. Das Römerbergbündnis gibt nach einer einmaligen feierlich zum Besten gegebenen Behauptung, in Frankfurt dürfe es keinen Rassimus geben, Nazis und Rassisten de facto Woche für Woche schweigend die ganze Stadt frei, dementiert und entwertet damit die eigenen Reden von „Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit“,  überlässt aktive AntifaschistInnen der mehr als einmal zu erlebenden willkürlichen Gewalt der Polizei – und schweigt selbst dazu noch.

Dienstag, 21.4., 19:30 Uhr: PEGIDA Frankfurt – Rhein/Main an der Hauptwache. Redner angeblich Lutz Bachmann

Heidi Munds „Freie Bürger für Deutschland“ haben ihre Kundgebung für die kommenden Woche endgültig abgesagt.

Die neuerdings wieder existierenden Islamhasser „PEGIDA Frankfurt Rhein-Main“ um Hans-Joachim Weber treten am Dienstag, 21.4., 19:30, an der Hauptwache vor der Katharinenkirche zu einer Kundgebung an und wollen von dort zu einem „Spaziergang“ aufbrechen. In der FNP veröffentlichten Gerüchten zufolge gibt es Pläne, daß Lutz Bachmann, Gröfaz der Pegida-Bewegung, dabei in Frankfurt auftreten soll. Die ANK wird mit möglichst vielen Menschen gemeinsam ab 18:00 vor Ort dafür sorgen, daß dieser Spaziergang für die PEGIDAzis keiner wird. Kommt massenhaft, um PEGIDA Frankfurt samt Lutz Bachmann nach Hause zu schicken!

Christine Anderson kandidiert für den hessischen AfD-Landesvorstand

Konsequenz aus Kopfverletzung? Christine Anderson, Märtyrerin von PEGIDA Frankfurt und dort meist „die tapfere Christine“ tituliert, ist vor allem eins: einfach nur rechts. Nun kandidiert sie, wie sie gestern in ihrer Facebookgruppe bekanntgab, für den hessischen Landesvorstand der AfD. PEGIDA Frankfurt bzw. die „Freien Bürger für Deutschland“ sind eben auch Startpunkte hoffnungsvoller Star-Karrieren in die Parteipolitik.