Zum 20. Jahrestag des Solinger Brandanschlags und der heutigen Berichterstattung in hr-info dazu

Am heutigen 20. Gedenktag des Solinger Brandanschlags sendete hr-info wie vermutlich die meisten anderen bundesdeutschen Medien auch mehrere Berichte zum Thema, die von der Mittäterschaft des VS-Spitzels Bend Schmitt geflissentlich absahen. Und dies angesichts des NSU-VS-Skandals.
Zu diesem Thema wurde deshalb eine Mail an die Redaktion von hr-info gesandt, die im Folgenden dokumentiert wird. Das in der Mail erwähnte Redemanuskript findet sich hier: Rede zum Gedenken an den Solinger Brandanschlag 1993_ 2012

Mail an hr-info:

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu Ihrer heutigen Berichterstattung am 20. Jahrestag des Solinger Brandanschlags vom 29.5.1993 möchte ich Kritik anmelden.

In der Zeit zwischen 06:00 und 07:00 Uhr sendeten Sie dazu ein Interview mit demjenigen Hörfunk-Redakteur des WDR – seinen Namen habe ich leider nicht behalten -, der laut Interview 1993 als erster Hörfunkjournalist am Brandort in Solingen war. Natürlich konnte er über die Hintergründe der Tat damals noch nicht das wissen, was heute bekannt ist: unter anderem nämlich, daß die drei neofaschistischen Täter mit Verbindungen zur Nazi-Kameradschaft „Bergische Front“ gemeinsam regelmäßig ein sogenanntes „kanakenfreies Training“ in der Gräfrather Kampfsportschule „Hap Kao“ absolviert hatten, wo sie nicht nur sportlich, sondern auch ideologisch im nazistischen Sinn geschult worden waren.

Ihr Lehrer dort war ein Mann namens Bernd Schmitt – ein Agent des Landesamts für Verfassungsschutz NRW.

Der Kollege des WDR wurde im Interview ausdrücklich nach seiner Ansicht zu möglichen Querverbindungen des Solinger Brandanschlags zum jetzigen NSU-Skandal befragt und gab zu Protokoll, er sehe außer der rassistischen Ideologie der Täter keine. Das ist sachlich falsch und zudem eine leider bezeichnende Verharmlosung – die Verharmlosung von tiefreichenden Verbindungen des deutschen Sicherheitsapparats, namentlich des Verfassungsschutzes, nicht nur in die Morde des NSU, sondern auch schon in Aktivitäten wie die, die in Solingen zu einem fünffachen Mord führten. Gerade werden im „Luxemburger Bombenlegerprozeß“ weitere Taten deutscher Sicherheitsdienste aufgearbeitet, zu denen, wie der Zeuge Andreas Kramer vor dem dortigen Gericht unter Eid aussagte, auch der Münchener Oktoberfestanschlag 1980 gehört – der Anschlag mit den meisten Todesopfern in der Geschichte der BRD überhaupt. Darüber wurde in hiesigen Medien zwar nur spärlich, aber doch zutreffend berichtet, es war zudem Gegenstand der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) durch die Bundesregierung vor wenigen Tagen.

Zu Solinger Brandanschlag möchte ich Ihnen im Anhang darum die Rede senden, die ich im vergangenen Jahr anläßlich einer Gedenkveranstaltung zum Solinger Brandanschlag am Frankfurt-Bockenheimer Hülya-Platz gehalten habe. Der Platz ist nach der seinerzeit neunjährigen Hülya Genc benannt, dem jüngsten Todesopfer des Anschlags, die heute eine 29jährige Frau sein könnte.
Ich bin mir der Tatsache bewußt, daß sich meine Positionen nicht mit den allgemein vertretenen decken, glaube aber, daß alle Fakten, die in meinem Redebeitrag aufgeführt wurden, durch die an seinem Ende genannten Quellen gut abgesichert sind.

Als einer der SprecherInnen der Frankfurter Anti-Nazi-Koordination empfinde ich die heute morgen erlebte nur als oberflächlich zu bezeichnende Art, über ein Ereignis wie den Solinger Brandanschlag zu berichten, deshalb als bitter, weil schon seinerzeit, 1993, die öffentliche Überraschung zumindest behördlicherseits nur als Heuchelei bezeichnet werden kann. Man wußte sehr genau um die möglichen Gefahren – ja: niemand wußte besser als staatliche Stellen schon vor deren Tat über die Täter von Solingen Bescheid. Bitter ist das besonders deshalb, weil sich die öffentliche Überraschung und Erschütterung von 1993 im Jahr 2011 im größeren Maßstab exakt wiederholt hat – und sich heute wiederum herausstellt: diejenigen, deren Aufgabe es staatlicherseits wäre, solche Überraschungen zu verhindern, haben sie 1993 und auch im Fall des NSU überhaupt erst ermöglicht und vertuschen heute hektisch alle Spuren, die das belegen. Was aber mißlungen sein dürfte.

Der Opfer von Familie Genc angemessen zu gedenken heißt heute, alles dafür zu tun, daß sich Taten wie die, denen sie zum Opfer fielen, nicht wiederholen können.
Dazu gehört als erstes eine wahrheitsgemäße Berichterstattung auf der Ebene dessen, was man heute wissen kann.

Ich bitte Sie um eine Korrektur Ihres Berichts.

Mit Dank für Ihr Interesse,

Pressemitteilung von „Giessen bleibt Nazifrei“ zum 16. Juli

Das Bündnis „Giessen bleibt Nazifrei“ hat unter dem Titel „Blockaden gescheitert – Stadt und Polizei hofieren Neonazis – „Giessen bleibt bunt“ entsolidarisiert sich“ eine Pressemitteilung zum Nazi-Aufmarsch am 16. Juli veröffentlicht, die wir nachfolgend dokumentieren:
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Leserbrief eines Teilnehmers zur FR-Berichterstattung zum 16. Juli, Nazi-Aufmarsch in Gießen

Die Frankfurter Rundschau berichtet online am 16.07. zum Nazi-Aufmarsch in Gießen anfangs unter dem Titel „Hunderte protestieren gegen Neonazi-Aufmarsch“, dieser wurde später in „Demonstration in Gießen: NPD ins Industriegebiet verwiesen“ abgeändert. Ein Teilnehmer der Protestaktionen des Bündnisses „Giessen bleibt Nazifrei“ schrieb einen Leserbrief zur Berichterstattung in der FR an selbige, der aber bisher unveröffentlicht blieb und den er der ANK zur Veröffentlichung freigab, nachfolgend dokumentiert:
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Nazis in Gießen behindert, nicht verhindert: Polizeieinsatz setzt Nazi-Aufmarsch durch

Der übersichtliche Aufmarsch von 113 Nazis am 16. Juli in Gießen wurde durch den direkten Protest von über 1.500 antifaschistischen GegendemonstrantInnen des Bündnisses „Giessen bleibt Nazifrei“ derart behindert, daß er stark verkürzt werden mußte, gänzlich verhindert wurde er angesichts des massiven Polizeieinsatzes von 3.500 Polizisten nicht. Wie zuletzt in Bergen-Enkheim galt auch in Gießen: ohne Polizeieinsatz – kein Nazi-Aufmarsch!
Unter dem Hashtag #Ginazifrei lassen sich die gesammelten Kurznachrichten des Live-Tickers der ANK während des Tages auf identica nachlesen.

Antifa-Demonstration in Israel: „ha-faschism lo ja’avor!“

Angehörige der Gruppe „Gush Shalom“ protestierten gestern vor dem israelischen Kriegssministerium in Tel-Aviv gegen dessen Marine-Angriff  auf die AktivistInnen von „Free Gaza“ (Video der Demonstration). Der Sprechchor in der Mitte und am Schluß des Videos lautet: „lo, lo ja’avor, ha-faschism lo ja’avor!“ – „Nein, nein – der Faschismus kommt nicht durch!“

„No pasaran!“ auf hebräisch. Und gegen die israelische Regierung, gegen ihre militaristische und nationalistische Besatzungspolitik gerichtet. Zu sehen ist unter anderem Uri Avnery, aber auch ein Kommentar von Dov Chenin, Mitglied der Knesset und Angehöriger der linken Chadasch-Fraktion (KP Israel und Verbündete; Erklärung der KP Israel zum Angriff auf die Gaza-Flotille, auf derselben Seite eine Erklärung der KPI: „For a Broad Jewish-Arab Front against Fascisation„).
Sascha Stawski von „Honestly Concerned“ und die mit ihm parlierenden Dokumentationstrupp-AktivistInnen des „antideutschen“ Flügels der Frankfurter Antifa gestern auf dem Römerberg, eine Gruppe, der man sicher nicht zu nahe tritt, wenn man sie in der Nachbarschaft derer ansiedelt, die auf einem Protestplenum der Uni Stunden vorher den israelischen Angriff explizit verteidigt hatten, hätten bei diesem Anblick nicht schlecht gestaunt. Aber für sie repräsentiert vermutlich die Netanyahu-Lieberman-Regierung das eigentliche oder sogar das „bessere Israel“.
Viele sehen das allerdings anders. Stawski ist sicherlich seinem Selbstverständnis nach kein Linker. Man sollte ihm nicht Unrecht tun, indem man ihn an linken Maßstäben mißt. Aber diejenigen, die Linke sein wollen, sollten sich auch, was Israel angeht, daran orientieren, was die israelische Linke  denkt. Und die ruft zu einer Demo gegen den Marine Angriff auf die Gaza-Flotille und zugleich gegen 43 Jahre Besatzungspolitik auf: „Saturday (June 5) will be another demonstration in the Center of Tel-Aviv held by the C.P. of Israel, Hadash, Peace Now, Yesh Gvul, Meretz, Gush Shalom, Fighters for Peace, Physicians for Human Rights and others, at the eve of the 43 anniversary of the occupation of the Palestinian territories.“ Alles andere ist mainstream oder rechts. In Israel und hier.

Nazi-Demo in Friedberg: heftige Kritik am Polizeieinsatz gegen AntifaschistInnen, Bericht des Ermittlungsausschuss veröffentlicht

2009 Friedberg Anti-Nazi-Demo  01

Nach der weitgehend behinderten Nazi-Demonstration in Friedberg am 7.11. wird nun die Kritik an der Polizeiführung immer lauter. Neben den Vorgängen am Bahnhof um die Abreise der verhinderten Fascho-DemonstrantInnen samt ihrem Bundesführer Voigt (Festnahmen, Einsatz von Pfefferspray, Kopfverletzung) steht die Einkesselung von AntifaschistInnen an verschiedenen Punkten der Demonstration im Mittelpunkt der wachsenden Empörung. An verschiedenen Orten hatte die Polizei, offenkundig um den „geregelten Ablauf“ der Nazi-Demonstration zu gewährleisten, nachdem diese wegen der Blockaden von 500 AntifaschistInnen auf die Kaiserstraße keinen Fuß hatten setzen können,  Hunderte von AntifaschistInnen eingekesselt und nur gegen Feststellung der Personalien Stunden später wieder gehen lassen – laut Polizeibericht in 300 Fällen. Dies ist, so stellt der Ermittlungsausschuß fest, eindeutig rechtswidrig. Zum Polizeiverhalten beim Vorgehen gegen die Friedberger Nazidemo am 1.8. hier: ein Vergleich lohnt – der Einsatzleiter hieß in beiden Fällen Alexander König.

Der Ermittlungsausschuss trifft sich am 13.11., 20 Uhr im Frankfurter Club Voltaire zu Fragen der Rechtsberatung wegen der Friedberger Aktionen.
Bitte schreibt zeitnah Gedächtnisprotokolle und bringt sie mit oder schickt sie uns!

Presseerklärung des EA-Frankfurt: Polizei hat repressiv und schikanös Rechte von Versammlungsteilnehmern mißachtet

„Leider liefert auch die Demonstration vom 28.03.09 erneut genügend Belege dafür, daß die Frankfurter Polizei (bzw. ihre Einsatzleitung) nicht gewillt ist, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu respektieren.“
Weiterlesen „Presseerklärung des EA-Frankfurt: Polizei hat repressiv und schikanös Rechte von Versammlungsteilnehmern mißachtet“

Media Markt – doch nicht blöd …

2008 Nazi-Propaganda als DVD Dokumentation der Normalität in der Videoabteilung eines Frankfurter Elektronikmarktes heute: NS-Propagandamaterial aus dem Jahre 1940 – laut aktuellem Cover anscheinend als eine Art Vorbild für die „Deutsche Jugend“ (s.u.).
Offizielle FSK-Klassifizierung: freigegeben ab 16. Foto aus der Abteilung „Dokumentationen“ des Media-Markt in der Frankfurter Nordweststadt,
5. September 2008.

In der Media-Markt Filiale des Frankfurter Nordwest-Zentrums wurde bis vor wenigen Tagen der NS-Propagandafilm „Der Marsch zum Führer“ verkauft. Der Film aus dem Jahre 1940, unverändert unter einem Cover angeboten, in dem einige halbherzige Distanzierungsformulierungen neben offener Bewunderung rangieren, liefe sehr gut, erklärte der zuständige Verkaufsbereichsleiter der Abteilung „Braune Ware“ (heißt wirklich so und bezeichnet bei Media-Markt die Abteilung, in der Produkte wie Filme, CDs, DVDs usw. angeboten werden) , und sei außerdem laut FSK ab 16 Jahren freigegeben. Drei Aktivisten der Anti-Nazi-Koordination vertraten den Standpunkt, es sei keine juristische, sondern eine politische Frage, ob ein NS-Propagandafilm in einem Elektronik-Markt angeboten werde, dessen Kunden angeblich nicht blöd seien. Nun versicherte uns der angesprochene Verkaufsleiter in einer Mail, der Film sei bereits am Tag unseres Protestes entfernt worden und werde auch endgültig aus dem Verkaufssortiment genommen. Die Aktion ist selbstverständlich nur als kleine Intervention zu verstehen. Der hier nun nicht mehr verkaufte Film steht in derselben Abteilung neben weiteren ähnlichen Titeln und kann auch andernorts bezogen werden. Das ist die „Normalität“, die offenbar nur wenigen auffällt – Alltagsbelege für eine offenbar tiefverwurzelte Mentalität, die sich nicht überall explizit äußert, aber dicht unter der Oberfläche liegt und insofern Material für jede aktualisierte Faschismustheorie heute. Weitere Infos: Weiterlesen „Media Markt – doch nicht blöd …“