»Die Zeiten fordern uns«, sagt Angela Merkel im Wahlspot und schreckt das Universum auf: »Unsere Soziale Marktwirtschaft muß in der ganzen Welt verankert werden«. Die FDP stimmt auf ihren Wahlplakaten zu: »Klarer Kurs: Soziale Marktwirtschaft.«
Mit diesen Worten beginnt ein weiterer Artikel von Otto Köhler in der heutigen Ausgabe der „Jungen Welt“ zur (Vor-)geschichte der BRD. Er erzählt, wie der „Vater des Wirtschaftswunders“ und spätere CDU-Bundeskanzler Ludwig Erhard im Januar 1945 im Verlauf eines Gesprächs mitten im zerbombten Berlin bei Burgunder, Cognac, Bohnenkaffee und Zigarren gemeinsam mit Karl Günther Weiss, dem Vertreter des für dieses Gespräch verhinderten Repräsentanten der SS, Otto Ohlendorf (Reichssicherheitshauptamt, SD-Inland, zuvor Befehlshaber der Einsatzgruppe D, letzter Dienstrang: SS-Gruppenführer, Generalleutnant der Polizei), an die Planung der wirtschaftspolitischen Nachkriegsordnung ging. Entscheidend dabei: die Kontinuität der Wirtschaftsordnung.
Wie es dabei zum Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft“ kam, schildert Köhler, Forschungsergebnisse des Historikers Michael Brackmann aufgreifend, im folgenden Dialog zwischen Weiss und dem Vertreter der Reichsgruppe Industrie und Autor der Denkschrift „Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung„, Ludwig Erhard, folgendermaßen: Weiterlesen „60 Jahre BRD – Ludwig Erhard und ein Vertreter der SS erfinden im Januar 1945 den Begriff der „sozialen Marktwirtschaft““
Kategorie: Theorie und Geschichte des Faschismus
60 Jahre BRD – zur Gestalt des ersten Bundespräsidenten, „Papa Heuss“
Otto Köhler wertet in einem Artikel in der Jungen Welt Informationen über Theodor Heuss, diesen „Glücksfall für Deutschland“ (Amtsnachfolger Horst Köhler) aus. Leseprobe: in einem Brief an seinen Sohn entschuldigt sich Heuss quasi dafür, daß auch sein Buch „Hitlers Weg“ (1932) zu den am 10. Mai 1933 verbrannten Büchern gehörte („Es tut mir sehr leid, daß Du Deinen Vater am Schandpfahl entdecken mußt„) und bezeichnete es als „unerfreulich, daß mein Name neben einigen der Literaten steht, die zu bekämpfen meine wesentliche Freude“ sei, womit er unter anderem „das entwurzelte jüdische Literatentum, gegen das ich durch all die Jahre gekämpft habe…„, meinte. Zum ganzen Artikel: hier.
Darmstadt: Prozess gegen Alt-Nazi eingestellt / Protestdemonstration am kommenden Sonntag
Wie erst jetzt bekannt wird, hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt bereits im Februar 2009 den Prozess gegen Heinrich Schubert eingestellt. Heinrich Schubert wurde von der Militärstaatsanwaltschaft in Turin wegen „Mordes an italienischen Staatsbürgern“ in Chiuso Pesio in der norditalienischen Provinz Cuneo verantwortlich gemacht und angeklagt. Schubert war Kommandant einer berittenen Aufklärungseinheit der 34. Division der Wehrmacht, die vor allem zur Partisanenbekämpfung in der Region stationiert war. Als Grund für das Prozessende wurde „Mangel an Beweisen“ angeführt. Eine offizielle Erklärung der Staatsanwaltschaft allerdings gab es nicht. Es folgt eine ausführliche Presse-Erklärung der Anti-Nazi-Koordination Darmstadt und Aufruf zu einer Demonstration am Sonntag, 17. Mai, 12 Uhr:
Bundeswehr: von der Wehrmacht lernen heißt kämpfen lernen …
Bezeichnend: Abzeichen der Sabotage- und Terrortruppe „Brandenburger“ der ehemaligen Wehrmacht. Ein Veteran dieses Vereins schreibt an einem offiziellen Handbuch für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan mit.
Bundeswehrverordnungen greifen noch heute auf ältere Texte aus den Zeiten der faschistischen Wehrmacht zurück, „Opfergeist und Heldenmut“ werden in der damligen Diktion bis heute glorifiziert. Kasernen und Verbände der Bundeswehr sind noch immer nach Nazi-Größen benannt und an einem aktuellen Handbuch zur Geschichte Afghanistans arbeitet auf Anfrage des Militärgeschichtlichen Forschungsamts ein Veteran der kriegsverbrecherischen „Brandenburger“ mit – bei der Verteidigung „unserer“ Sicherheit am Hindukusch werden entsprechende Traditionen insbesondere der Gebirgsjägertruppe unheilvollen Angedenkens anscheinend schon länger aktiv gepflegt.
Belege für die gezielten Bundeswehr-Rückgriffe auf Wehrmachtstraditionen finden sich in einem aktuellen Artikel, der passenderweise zum 8. Mai in der „jungen Welt“ erschien.
Fall Demjanjuk / Ukraine – USA – BRD: braunes Netzwerk, „orange Revolution“
SS-Dienstausweis von John Demjanjuk
Quelle: junge Welt
Hintergründe zum Fall des bereits 1986 vor einem israelischen Gericht zum Tode verurteilten SS-Massenmörders John Demjanjuk, der nach dem damaligen Urteilsspruch wieder freigelassen werden musste, werden in der aktuellen Ausgabe der jW veröfentlicht. Demzufolge ist es kein Zufall, daß Demjanjuk noch immer auf freiem Fuß ist, und es bleibt völlig offen, ob er jemals für seine Taten belangt wird. Im Hintergrund steht ein Unterstützernetzwerk, das neben weitreichenden Kontakten in die Sicherheitsadministration der Bush-Regierung unter anderem auch die Kooperation der NPD mit ukrainischen Faschistenverbänden umfasst, denen wiederum ihrerseits Unterstützung für die Regierung Timoschenko / Juschtschenko nachgesagt werden kann – jener Regierung, die aus der „Orangenen Revolution“ hervorging, für deren Erfolg im Winter 2004 von der CIA bis zu deutschen Quizmastern und Rockbands vieles vor und hinter den Bühnen lief. Zum Artikel: hier und, zum weiteren Hintergrund, hier.
8. Mai: Gedenken für Antifaschistinnen und Antifaschisten in Frankfurt-Nied
Gedenkfeier für 11 Opfer der Nazidikatatur in Frankfurt Nied am Freitag, 8. Mai 2009 um 18.30 Uhr, Nied-Friedhof (an der S-Bahn). Weitere Infos der Veranstalter „Initiative 8. Mai“: Weiterlesen „8. Mai: Gedenken für Antifaschistinnen und Antifaschisten in Frankfurt-Nied“
Wolfgang Hübners Gedenken
Wolfgang Hübner (BFF), Ex-Bündnispartner von Horst Mahler, möchte am 22. März des 65. Jahrestags der Zerstörung der Frankfurter Altstadt durch einen Luftangriff der Anti-Hitler-Koalition gedenken. Zu einer geschichtsrevisionistischen Menschen- und Lichterkette ruft der deutschnationale Stadtverordnete seine Getreuen am kommenden Sonntag, ab 18 Uhr zum Technischen Rathaus: „Ab 18.00 Uhr werden sich alle Anteil nehmenden Frankfurter zwischen Dom und Römer rund um die Gedenkplatte vorm Technischen Rathaus versammeln, um Lichter zur Erinnerung an die Toten, an die damals an Leib und Seele verwundeten Menschen und an die zerstörte Altstadt anzuzünden“ heißt es in einer Pressemitteilung von Hübners Club, während es in einer zweiten Mitteilung heißt, es sei „Frankfurts Schande„, daß Magistrat und Öffentlichkeit keine offizielle Trauerfeier an diesem Tag veranstalten: „offiziell geht die Stadt mit dem Gedenktag in geradezu schändlicher Weise lieblos, verkrampft und geschichtsvergessen um“ beschwert sich Hübner.
[update: zu den Ereignissen rund um die Veranstaltung vgl. einen Bericht in der FR]
Veranstaltungsreihe zur marxistischen Krisentheorie
- Auch wenn man zu Recht die Ansicht ablehnt, der Nazifaschismus sei alleine aufgrund der Wirtschaftskrisen in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden und an die Macht gekommen, so ist er ohne ein Verständnis dieser Krisen sicherlich überhaupt nicht zu verstehen. Das ist Grund genug für eine intensivere Beschäftigung von AntifaschistInnen mit der derzeitigen Weltwirtschaftskrise – der tiefsten seit der Großen Depression. Die Marxistische Abendschule (MASCH) organisiert dazu jetzt eine vierteilige Veranstaltungsreihe mit einem profilierten marxistischen Autoren. Lucas Zeise, langjähriger Mitarbeiter der Financial Times Deutschland, ist Autor des Buches „Ende der Party“ (Köln, 2008). Er bietet in Frankfurt einen Vortragsabend und drei Seminarabende an.
Termine:
- Vortrag am Donnerstag, 16. April, 19 Uhr,
DGB-Haus, Raum 4 (Erdgeschoß) - Seminarabende: 29. April, 6. Mai, 13. Mai,
jeweils 19 Uhr, DGB-Jugendclub. Weiterlesen „Veranstaltungsreihe zur marxistischen Krisentheorie“
Schaeffler: 1,95 Tonnen Menschenhaar – „konsequent beschwiegen“
Während inzwischen die Verwicklung der von einer „Arisierung“ profitierenden Firmengründer der heutigen Schaeffler KG in die faschistische Menschenvernichtungsmaschinerie in internationalen Medien Aufmerksamkeit gewinnt, wird der gesamte Vorgang in Deutschland „konsequent beschwiegen„, wie German Foreign Policy belegt. Wir dokumentieren einen weiteren aktuellen Artikel zu historischen Forschungsergebnissen und ihrer Rezeption hierzulande: Weiterlesen „Schaeffler: 1,95 Tonnen Menschenhaar – „konsequent beschwiegen““
Schaeffler KG – ein deutsches Unternehmen mit Tradition
Vermutlich haben viele das Bild mit Maria-Elisabeth Schaeffler, Matriarchin des im Familienbesitz befindlichen Autozulieferers Schaeffler KG, privat sechsfache Euro-Milliardärin, gesehen, wie sie mit IG Metall-Chef Berthold Huber vor den Kameras der Medien um Staatsknete für ihr verpatztes Spekulationsgeschäft bittet, bei Conti voll einzusteigen.
Das wie immer außerordentlich lesenswerte Info-Portal German Foreign Policy hat sich auf die Spur der Geschichte des Unternehmens gesetzt: bei Schaeffler handelt es sich demzufolge um einen vermutlich 1940 „arisierten“ Textilbetrieb ehemals jüdischer Eigentümer, der nach seiner „Arisierung“ voll ins Rüstungsgeschäft einstieg, auf die Produktion von Panzerketten spezialisiert war, aber anscheinend auch Menschenhaar „verwertete“, dessen Herkunft aus faschistischen Vernichtungslagern mehr als wahrscheinlich ist. Damit wäre Schaffler geradezu ein Musterbeispiel der Verwicklung deutschen Finanz- und vor allem Rüstungskapitals in die antisemitische Vernichtungsgeschichte des Nazireiches und seiner imperialistischen Eroberungskriege – aber auch ihrer Macht- und Einflußkontinuität bis heute. Wir dokumentieren zwei darauf bezogene Artikel „Vom Ursprung deutschen Reichtums I und II“ im Folgenden:
Weiterlesen „Schaeffler KG – ein deutsches Unternehmen mit Tradition“




