Behördliche Lizenz für offen antisemitische und nazifaschistische Propaganda

Presse-Erklärung der Anti-Nazi-Koordination zum Verzicht auf ein Verbot der Nazi-Demonstration am 7. Juli

Seit gestern ist bekannt, in welchem Frankfurter Gebiet Sicherheitsdezernent Boris Rhein (CDU) die NPD durch Frankfurt marschieren lassen will.
Ebenfalls bekannt und bestätigt ist nun: auch nur das politische Zeichen zu setzen, diesen Naziaufmarsch zu verbieten kam dem schwarz-grünen Magistrat offenbar nicht in den Sinn.

Im Gegenteil. Aus der Erklärung Boris Rheins zur Sache muß man folgern, er habe sich alle Mühe gegeben, dem „Kommunikationsanliegen“ der NPD, nämlich, wie Rhein selber auch noch ausdrücklich zitiert, gegen „Globalisierung und für Volksgemeinschaft“ zu demonstrieren, einen angemessenen Ort zu bieten – die Neue Börse am Industriehof nämlich. Die Angestellten dort werden ihm zu danken wissen, daß er sie bei dieser Gelegenheit wenigstens nicht auch noch, wie die NPD dies tut, als „bloodsuckers“ bezeichnet hat, die unter dem Einfluß der „Ostküstenmafia“ die „Holocaustkeule“ schwingen, geschützt von der „politischen Korrektheit“. All dies sind Begriffe, die im offiziellen Aufruf der NPD zur Demonstration am 7. Juli wortwörtlich vorkommen. Entweder kennt Herr Rhein sie nicht, oder er empfindet sie nicht als hinreichenden Grund, die Verantwortung für eine solch glasklare Manifestation des gewalttätigen Antisemitismus abzulehnen und sie notfalls eben den Gerichten zu überlassen. Wenn solche Äußerungen, die jede/r in seit Monaten in deutsch und englisch auf der Mobilisierungshomepage für die Nazidemonstration am 7. Juli nachlesen kann, hierzulande kein Grund für ein Demonstrationsverbot sind – was denn dann? Gesetze nutzen nur,wenn sie auch angewendet werden, Herr Rhein!

Nicht erst seit gestern ist bekannt, wem Boris Rhein im Namen des schwarz-grünen Magistrat da einen Teil Frankfurts für einen Aufmarsch von geschätzten zweitausend Faschisten aus halb Europa zur Verfügung stellt, ohne auch nur den Versuch der Gegenwehr zu leisten. Daß der hessische NPD-Führer und Kameradschaftsaktivist Marcel Wöll, der Anmelder dieser Demonstration, ein Mensch ist, der sich in auch nur halbwegs zugespitzten Situationen selber nicht unter Kontrolle hat, bewies er wie zum Hohn für Boris Rhein praktisch zeitgleich im Kreistag der Wetterau, wo er einen Jugendlichen, der als Mitglied der Jugendorganisation der LINKEN genehmigterweise Flugblätter für ein NPD-Verbot verteilte, körperlich attackierte.

Das ist der einzige wirklich wichtige Beitrag zur „Gewaltdiskussion“ rings um den 7. Juli!

Bei der jüngsten der zahlreichen von Wöll angemeldeten Nazi-Demonstrationen verprügelten heimkehrende Nazi-Demonstranten aus der Pfalz auf dem Mainzer Südbahnhof eine junge Frau aus Lampertheim schwer. Es ist bekannt, was sich vor und nach solchen Demonstrationen an Hass und Aggression auf Seiten der Nazis gegen alle, die nicht in ihre verfluchte „Volksgemeinschaft“ passen, entlädt. Die „national befreite Zone“ Halberstadt läßt grüßen. Herr Rhein kennt diese Vorgänge und weiß, was er tut – ansonsten ist er inkompetent. Die politische Verantwortung für die zu befürchtenden Opfer von Nazigewalt am 7. Juni hat er gestern sehenden Auges übernommen.

Wir fordern den Magistrat hiermit auf, die Entscheidung gegen ein Verbot zu überdenken.
Wir wissen selbst sehr genau, daß mit solchen Verboten das Übel des Faschismus wahrlich nicht an der Wurzel gepackt werden kann.
Wir erwarten nicht, daß der Staat grundlegende gesellschaftliche Problem löst, wie sie der sich ausbreitende Faschismus nun einmal darstellt.
Diese Probleme zu lösen, ist unser aller Aufgabe. Wir werden am 7. Juli unseren Beitrag dazu leisten.
Wir appellieren nicht an die Obrigkeit, sondern wir fordern die Einhaltung der formalen Regeln, die nach allgemeinem Konsens in dieser Gesellschaft und diesem Staat gelten sollen, und gegen die Aufruf und Anmelderperson dieser Demonstration in drastischem Maß verstoßen.
Antisemitismus und seine Propaganda, Verharmlosung und Relativierung des Holocaust, Gewaltakte im Rahmen einer Parlamentssitzung, faschistische Gewaltakte bei praktisch jeder zuvor behördlich genehmigten Nazidemonstration – was braucht es denn noch, um diesen Anmelder und die Partei, deren Landesvorsitzender er ist, in den Augen von Boris Rhein und des schwarz-grünen Magistrats als das erscheinen zu lassen, was er ist: ein bekennender Faschist?
Und was mehr als diese Erkenntnis braucht Boris Rhein um für diese Demonstration die Mitverantwortung des Magistrats abzulehnen und sich schlimmstenfalls vom Bundesverfassungsgericht zwingen zu lassen, sie erlauben zu müssen?

Frau Roth, Herr Sikorski, Herr Rhein – kehren Sie um!

3 Kommentare zu „Behördliche Lizenz für offen antisemitische und nazifaschistische Propaganda“

  1. Als Bürger dieser Stadt, dessen Familie unter Naziverfolgung zu leiden hatte und in dessen Familie der Blutzoll hoch war, bin ich zutiefst enttäuscht und verletzt über diese Entscheidung der Stadtregierung unter einer angeblich christlichen und demokratischen Führung! Über die Frankfurter Grünen schweige ich, denn deren Haltung empfinde ich nur noch als beschämend.
    Noch Anfang des Jahres konnte ich im Januar in der FR lesen:
    „Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) will mit allen rechtlichen Mitteln gegen die Demonstration vorgehen. “Wir werden die Anmeldung gründlich prüfen und dann Nein sagen”, urteilte der Leiter des OB-Büros, Peter Heine. Die Stadt werde es auch “auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen lassen”, um die NPD fernzuhalten.“
    Das ist offenbar gelogen gewesen oder wie soll ich diese Aussage sonst interpretieren? Wo ist das vollmundig angekündigte NEIN??? Daß nun Nazis durch unsere Stadt ziehen dürfen, ohne daß die Stadt alle angekündigten Rechtsmittel ausschöpft, das ist ein Hohn und eine Beleidigung aller Opfer des Naziterrors vergangener Tage aber auch der Gegenwart. Denn machen sie sich nichts vor, die Nazis terrorisieren und morden heute schon wieder oder immer noch und in den sog. „national befreiten“ Zonen (früher hieß es einmal „judenfrei“) werden tagtäglich Menschen bedroht. Es sind auch nicht ein paar hundert Spinnerte die da kommen sollen, sondern erheblich mehr stramm rechtsextremistisch geschulte und organisierte Nazis. Lassen sie sich auch nicht täuschen, wenn die NPD-Nazis Kreide fressen und sich mit Sport- und Hausaufgabenhilfe lieb Kind machen wollen, die rassistische Naziideologie bleibt die gleiche! Besonders die offene antisemitische und rassistische Hetze des Naziaufrufs zum 7. Juli unter dem Nazi-Propagandabegriff „Volksgemeinschaft“ sollte die Verantwortlichen an das Grundgesetz, der demokratischen und antinazistischen Verfassung unseres Landes erinnern:
    Artikel 139 Grundgesetz:
    „Die zur „Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus“ erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.“
    Das heißt: Versammlungs- und Meinungsfreiheit, gelten für (Neo-)Nazis nicht. Weder in Frankfurt noch anderswo. Heute so wenig wie 1949.

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  2. Vielen Dank, Herr Siegfried, für diese klaren Worte! Am Besten übermitteln Sie sie auch dem Büro der OB Fau Roth und der Presse.
    Solidarische Grüße!

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  3. Ich kann das einfach nicht verstehen!

    Wieviel Schaden muss erst noch entstehen, bevor man diese „Nazi-Kacke“ in ihre Schranken verweist! Warum werden diese Partein nicht verboten? Achja es verstößt gegen das Grundgesetz. Aber die Regierung verstößt am laufendem Band gegen das Gesetz, man schaue sich nur die Studiengebühren an!

    Ich bin politisch nicht auf dem neusten Stand, aber soviel kann ich mir selber zusammenreimen: Man will nichts dagegen unternehmen!!! Vielleicht eine zu große Lobby oder Gelder die fließe!

    Wenn es mir nach ginge, könnten die Jungs gerne demonstrieren, aber dann bitte hinter schwedischen Gardienen!

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