Die Anti-Nazi-Koordination Frankfurt hat in ihrer Sitzung vom 13. Juli eine lebhafte und stellenweise kontroverse Diskussion zur Auswertung des 7. Juli geführt. Wir werden uns mit aller Kraft weiter für Breite, Entschlossenheit und antifaschistische Einheit in Frankfurt einsetzen. Die wichtigsten Ergebnisse:
1. Der 7. Juli war ganz sicher für die Nazis überhaupt kein Erfolg, während er für uns ein Teilerfolg war. Die Nazis selber konnten mit etwas über 500 Personen demonstrieren (Polizeibericht). Wir waren mit etwa 3000 Personen vor Ort. Auf dem Römerberg waren etwa 1500 – 2000 Personen. Die Polizei war mit 8000 BeamtInnen präsent. Das zeigt die Kräfteverhältnisse.
2. Das in sich widersprüchliche Sicherheitskonzept der Stadt bzw. des Innenministeriums hat es zu irrsinnigen Kosten von bislang noch immer öffentlich unwidersprochenen 20 Millionen Euro (FAZ, 9. Juli) und unter zahlreichen Rechtsverstößen vor und während der Nazi-Demonstration sowie gegen die ausdrücklichen Auflagen des VGH-Urteils vom 6. Juli in der Praxis verhindert, daß es eine öffentlich wahrnehmbare Nazi-Demonstration gab (Ort und Zeit der Demonstration, Abschirmung gegen unser Aktionen).
3. Die wichtigste Erkenntnis ist deshalb: in Frankfurt kann ohne riesigen Aufwand des Staates gegen die Mehrheit der Gesellschaft kein Naziaufmarsch stattfinden. Wird er gegen den Willen des antifaschistischen Bündnis und des größten Teils der politisch irgendwie artikulierten Öffenlichkeit dennoch durchgesetzt, so findet er unter praktischem Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Hierzu mußten am 7. Juli polizeistaatliche Methoden des Ausnahmezustandes bis hin zur sogenannten „Zivil-Militärischen Zusammenarbeit“ zwischen Polizei, Bundespolizei und Bundeswehr angewandt werden. Die breite Mehrheit der politisch artikulierten Kräfte in der Stadt war und ist gegen die Nazis. Es ist die Verantwortung des schwarz-grünen Magistrats, gegen diese Mehrheit (nicht zuletzt auch mancher der eigenen Mitglieder und WählerInnen) diesen Aufmarsch durchgesetzt zu haben und sich in Form einer fragwürdigen Doppelstrategie gleichzeitig auf dem Römerberg gegen die Nazis auszusprechen. Die politisch Verantwortlichen dafür haben den 7. Juli zum den Tag einer staatlichen Machtdemonstration gegen die Mehrheit der Gesellschaft gemacht. „NutznießerInnen“ dieser Politik waren die offenen AntisemitInnen, NS-VerherrlicherInnen, GewaltpropagandistInnen der NPD und der Kameradschaften. Ohne die schützende Polizei hätten sie keinen Meter weit laufen können. Unter deren Schutz konnten sie Steine werfen oder skandieren „Nie wieder Israel!“, „Juden raus von deutschen Straßen“ und andere volksverhetzende Sprüche. Dafür 20 Millionen Euro? Wieviele hessische StudentInnen hätten für diese Summe wie lange kostenfrei studieren können? Wir sind gespannt, wie das gerechtfertigt werden kann.
4. Noch nie war die gesellschaftliche Breite für einen Aufruf zur Verhinderung einer Nazi-Demonstration so groß wie in diesem Jahr. Wir halten es für keineswegs selbstverständlich, wie viele Organisationen und Personen durch ihre Unterschrift unsere Forderung nach einer legitimen, aber, wie allen UnterstützerInnen bewußt war, im strengen Sinn des Wortes einer nicht legalen Aktionsform der Verhinderung einer nicht-verbotenen Versammlung unterstützt haben.
5. Wir halten es auch für sehr bemerkenswert, welche öffentliche Zustimmung dieses Konzept auch über den direkten UnterstützerInnenkreis hinaus erhalten hat. Am Besten fasste das der Hessische Rundfunk noch am 7. Juli in der „Hessenschau“ zusammen: „Nicht die Nazis, sondern ihre Gegner haben an diesem Tag das Bild der Stadt bestimmt„.
6. Es war richtig, daß wir uns vor dem 7. Juli auch zu den im Römerbergbündnis zusammengefaßten Kräften klar geäußert haben: keine Distanzierung, aber auch klar machen, was unsere Aktionsformen sind, und warum wir sie für notwendig halten.
7. Gemessen an der gesellschaftlichen Breite der Ablehnung von Nazis, aber auch der Zustimmung zu unserem Konzept, konstatieren wir einen Mangel in der Mobilisierung am 7.7. auf der Straße. Dazu haben wir eine Zahl von Einzelfehlern auf unserer Seite festgestellt und diskutiert, von denen wir hoffen, sie künftig vermeiden zu können.
8. Wir sehen ein großes Entwicklungspotential in der Vertiefung unserer antifaschistischen Einheit sowohl in Richtung des gesamten Spektrums der UnterstützerInnen des Aufrufs zum 7. Juli, als auch in Richtung des gesamten Antifa-Spektrums. Es war richtig, daß wir so gut wir es konnten unseren Beitrag dazu geleistet haben, es innerhalb dieser Breite bei aller Schärfe interner Diskussionen nicht zu gegenseitigen öffentlichen Distanzierungen voneinander kommen zu lassen. Diese Politik werden wir fortsetzen. Wir wollen unsere Kontakte zu den UnterstützerInnen des Aufrufs zum 7. Juli und zur Antifa so gut wie möglich verstärken. Positionen, die diesen Punkt vor und nach dem 7. Juli in Frage stellen wollten sind in der Anti-Nazi-Koordination nicht konsensfähig.
9. Als Anti-Nazi-Koordination werden wir in den nächsten Monaten vor allem daran arbeiten, unseren Teil des politischen Spektrums zu verbreitern. Dafür gab es eine Reihe konkreter Vorschläge.
10. Es war richtig, unser Aktionskonzept lange vor dem 7. Juli so genau wie möglich zu formulieren und auch offensiv anzukündigen. Wir sehen eine Vielzahl von unserem politischen Spektrum angemessenen weiteren Aktionsformen, die wir künftig zusätzlich praktizieren können. Hier gab es eine Reihe guter Ideen und praktischer Hinweise, auf die wir aufbauen können. Unser Aktionskonzept selbst wurde erneut bestätigt. Wir werden es ausbauen.
11. Es gab eine Reihe praktischer Fehler in der Vorbereitungsphase der letzten Tage, die wir benannt und diskutiert haben. Sie betreffen vor allem die gegenseitigen Absprachen unterschiedlicher Gruppierung im Bereich der Anti-Nazi-Koordination und die Verbindlichkeit ihrer Einhaltung vor Ort. Hier wurde aber auch deutlich, daß unter Umständen selbst die beste Vorbereitung von unserer eigenen Flexibilität und Geschwindigkeit überholt wurden und vor Ort Entscheidungen getroffen werden mußten – natürlich von den dort Anwesenden selbst. Es gab eine zentrale Informations-und Koordinationsstelle unsererseits, die auch, abgesehen von Überlastungsmomenten, weitgehend gut funktioniert hat. Aber sie hatte nie und nirgends die Aufgabe, zu kontrollieren oder gar von fern her Anweisungen zu erteilen. Das hat sie auch nicht getan ud das wird auch künftig nicht so sein. Blockadeaktionen und die Strategie, flexibel und schnell zu handeln, funktionieren nach unserem Verständnis nur, wenn sie von den AktivistInnen vor Ort demokratisch selbst entschieden werden. Wir sehen unsere Aufgabe nur darin, dafür aktuelle Informationen und eine mobile Struktur vorzubereiten.

Eine Anmerkung zu Punkt 8:
„antifaschistische Einheit“ muss insbesondere auch die verbesserte Kooperation mit MigrantInnen, mit Gewerkschaften, mit dem Frankfurter Jugendring und weiteren Teilen des „Römerbergbündnisses“ einschließen.
„Mobilisierungsmaterialien“ (Plakate, Aufkleber, Video-Clips, Aufrufe) von autonomen Antifas, in denen mit Molotowcocktails, Äxten, Schlagstöcken, Steinen, brennenden Barrikaden der „Straßenkampf“ am 7. Juli und der „Angriff auf den Staat und seine Institutionen“ propagiert wurden, tragen nicht zu dieser notwendigen Verbreiterung bei, wirken kontraproduktiv und entsprechen nicht dem Konsens in der Anti Nazi Koordination.
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Eine Anmerkung zu Angelika, die schreibt:
„Eine Anmerkung zu Punkt 8: “antifaschistische Einheit” muss insbesondere auch die verbesserte Kooperation mit MigrantInnen, mit Gewerkschaften, mit dem Frankfurter Jugendring und weiteren Teilen des “Römerbergbündnisses” einschließen.“
MigrantInnen:
Die KAV Frankfurt hat auf unsere Initiative hin schon im Mai eine Resolution veröffentlicht, die inhaltlich in die gleiche Richtung ging wie unser Aufruf. Ziel: alle Demokraten müssen sich entschlossen den Nazis in den Weg stellen. Ich habe pesönlich im Vorfeld mit dem Vorstand der KAV diskutiert. Das Treffen, bei dem wir die obige Einschätzug verabschiedet haben, fand im Türkischen Volkshaus statt. Ein Mitglied des Islamforum Hessen hat unsere Aufruf unterschrieben. Das sollte bitte zum Thema MigrantInnenorgansiationen nicht einfach unter den Tisch fallen. Richtig ist: jede/r von uns mobilisiere bitte künftig noch intensiver besonders im eigenen Bereich (zB. auch attac, SchülerInnen). Das gilt für uns alle.
Gewerkschaften:
Zur Frage der Gewerkschaften: Angelika – bitte Deine Mahnungen an den DGB Frankfurt weiterleiten.
Die drei Einzelgewerkschaften GEW, IGM und Ver.di, die DGB Jugend Hessen, die DGB-Regionen Mittelhessen und Südhessen haben mit uns an einem Strang gezogen, das heißt im Sinne unseres Aktionskonzepts und unseres Aufrufes agiert, vor Ort zB. eine kampf- und sangesstarke Gruppe der IGM-Jugend Offenbach. IGBCE-KollegInnen waren am Bahnhof in Rödelheim (!) aktiv. Der DGB Hessen war durch prominente Präsenz an einem Blockadepunkt den ganzen Tag anwesend. Auch das kann und muß sicher mehr werden. Tu bitte etwas dafür, Angelika!
Teile des Römerbergbündnis / Frankfurter Jugendring:
Die SPD Frankfurt hat unseren Aufruf unterzeichnet. Ebenso die Jusos auf Bundes- Landes- und Ortsebene. Sie waren präsent, weil sie die von Dir, Angelika, inkriminierten Plakate für sich offenbar richtig einschätzen konnten. Und wem hat der 7. Juli in dieser Hinsicht Recht gegeben? SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen waren nach Beobachtung vieler an unseren Blockaden viel zahlreicher als auf dem Römerberg. Der Frankfurter Jugendring wurde von mir persönlich im April und Mai mehrere Male auf die Unterstützung unseres Aufrufs angesprochen. Ich respektiere die dortige Entscheidung, es bei der Unterstützung des Römerbergbündnisses zu belassen. Solche Entscheidungen haben sicherlich einen Hintergrund, den ich mir nicht anmaße, zu beurteilen. Mit den von Angelika vermuteten Gründen kann das aber schon aus chronologischen Gründen nichts zu tun haben. Im übrigen waren bekannte Frankfurter Jugendorganistionen am 7. Juli auf unserer Seite (Jusos, SDAJ, Falken, Naturfreundejugend, beide ASten, SSR, DGB-Jugend Hessen). Wofür spricht das, Angelika? Für Deine These, daß wir zuwenige im Bereich des Frankfurter Jugendrings mobilisieren konnten?? Wenn Du weitere Teile des Römerbergbündnis für uns ansprechen kannst und willst – viel Erfolg!
Deine Ermahnungen, Angelika, rennen sozusagen zum wiederholten Male und mit Anlauf offene Türen ein und richten sich ebenso an uns wie an Dich selber. Wem bringt das was? Daß wir nicht noch mehr waren – an wem liegt das? An uns allen. Nicht an einzelnen. Nicht an unserer politischen Linie, konkret: Aufruf und Aktionskonzept, die beide auch gestern wieder keinen expliziten Widerspruch fanden sondern voll und ganz bestätigt wurden. Wir gewinnen alle gemeinsam und wir verlieren alle gemeinsam. Das gilt für alle antifaschistischen Kräfte in Frankfurt. Gegenseitiges Denunzieren, vorauseilende Distanzierungen im Vorfeld und ständiges Beckmessern bringt niemanden vorwärts, bindet unsere Energie am falschen Ort, sorgt für schlechte Stimmung und kann sich schlimmstenfalls spaltend auswirken. Wem nutzt das?
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