„Es gibt keinen Antisemitismus in Frankfurt, das war eine Entgleisung“ (Hilmar Hoffmann)

hhoffmann.jpegIn den Spalten der Frankfurter Rundschau wurde unlängst über eine Diskussion aus dem kommunalen Kulturmilieu berichtet. Anlass: das Attentat auf Rabbi Gurevitch. Gibt es in Frankfurt etwa Antisemitismus? TeilnehmerInnen der Debatte: Eva Demski, Matthias Altenburg, Hilmar Hoffmann.

Die Stimmung, die sich im FR-Bericht zu dieser Diskussion niederschlägt, ist bezeichnend.

Eva Demski findet es völlig übertrieben, von einer No-Go-Zone Frankfurt zu reden: „In Frankfurt ist dadurch nichts anders als vorher“ – was auch immer das heißen mag. War es auch vorher schon normal und zu erwarten, daß als Juden kenntliche Menschen einfach als solche auf offener Straße mit dem Messer angegriffen werden? Oder ist das Attentat für Frau Demski nicht von Belang? Man weiß es nicht.

Dem stimmt Hilmar Hoffmann zu. Ganz Stratege des „Wegtolerierens“ rät er von einer öffentlichen politischen Intervention ab: „Ich halte von einer solchen Demonstration nichts – sie würde gerade den Eindruck erwecken, dass es in Frankfurt einen latenten Antisemitismus gibt„. Ganz genau richtig ist das dann, wenn es jemandem vorrangig um den veröffentlichten Eindruck von Frankfurt und nicht um die Frage geht, ob es hier Antisemitismus gibt.

Matthias Altenburg hat ein Problem. Er würde gerne etwas tun, aber er weiß nicht, wo: „Es gibt kein Forum mehr, um Rechts entgegenzutreten.“ Wo war der Mann am 7. Juli? Wahrscheinlich nicht in Frankfurt. Vielleicht hat er Hilmar Hofmanns Rat befolgt und war woanders – dort, wo es angeblich echte Nazis geben soll. Nicht in Frankfurt. Denn hier, so stellt Hilmar Hoffmann apodiktisch fest, gibt es „keinen Antisemitismus„, allenfalls „in Sachsen – da gibt es Gründe„, sich gegen Nazis zu wehren. Heilige Einfalt!

War Himar Hoffmann eigentlich schon im Bürgerhospital und hat dem Opfer des Attentats tröstend ins Gesicht versichert, dies sei kein antisemitischer Anschlag gewesen, sondern „eine Entgleisung„? Das wäre wenigstens ein Akt der Ehrlichkeit.

Wann war Hilmar Hofmann das letzte Mal im Fußballstadion oder auf auf einem Schulhof? Es muß lange her sein. Sonst wüßte er, welchen umgangssprachlichen Sinn der Ruf „Jude“ dort allzuhäufig hat. Antisemitismus ist Alltagsrealität in Frankfurt. Dasselbe gilt für Islamophobie. Man muß nur mal nach Hausen gehen.

Vor der NPD-Demonstation am 7. Juli haben wir wieder und wieder auf den öffentlich absolut folgenlos geäußerten Antisemitismus, die offensive Verwendung von NS-Vokabular bis hin zu leicht abgewandelten allgemein bekannten SA-Parolen in der Propaganda für diese unbegreiflicherweise nicht verbotene Veranstaltung hingewiesen. Nach dem 7. Juli haben wir auf diesem Blog und in einer eigenen Pressekonferenz seitenweise Zitate, Belege, Dokumente präsentiert, die belegen, in welchem Ausmaß 600 Nazis in dieser Stadt unter dem Schutz von 8000 PolizeibeamtInnen und zu – unwidersprochenen Berichten der FAZ zufolge – Kosten von 20 Millionen Euro ihre antisemitischen und hasserfüllten Parolen skandieren durften. Wir haben öffentlich belegt, daß es zum polizeilichen Kuschelkurs gegenüber offen hinausgebrülltem Judenhaß offenbar staatsanwaltschaftliche Anweisungen gab, die ihrerseits ohne eine entsprechende politische Weisung aus dem Innenministerium für uns schwer vorstellbar sind. Alles „Entgleisungen“? Das war staatlicher Schutz für militanten Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Haß auf Linke!

Seither schweigen die zivilgesellschaftlichen Frankfurter Eliten. Und wenn sie etwas sagen, dann allenfalls: „pssst!

5 Kommentare zu „„Es gibt keinen Antisemitismus in Frankfurt, das war eine Entgleisung“ (Hilmar Hoffmann)“

  1. „islamophobie“ mit antisemitismus gleichzusetzen, bleibt nach wie vor ein unding, selbst wenn man davon absehen würde, dass es sich bei „islamophobie“ um einen modebegriff handelt, der als totschlagargument missbraucht wird, wenn „rassist“ irgendwie ungeeignet erscheint, bleibt immer noch der unterschied zwischen einer „phobie“, einer schlimmstenfall irrationalen angst und einem gefestigten hass, der letztlich in dem attentat ausdruck gefunden hat.
    vor dem islam und dem, was aus ihm erwächst (ob auf „falsch“ interpretierte weise oder nicht), angst zu haben, ist für mich keine wirre psychose. das gilt insbesondere für menschen jüdischen glaubens.
    davon unberührt bleibt natürlich all das, wo wir uns vermutlich einig sind, dass ein selbsternannter volksgemeinschaftlicher mob bekämpft werden muss und dass menschen nicht per se wegen hautfarbe, religion, herkunft ihrer großmütter und dergleichen beschimpft, bedroht, benachteiligt, verfolgt oder verletzt werden. aber dieser anspruch muss eben auch an jene gerichtet werden, die ihren hass aus ihrer unna anfüttern, zur not via sat-tv. dass die linke, welche sich unter keinen umständen als „antideutsch“ bezeichnen lassen würde, daran aber kein interesse hat, zeigt eine ähnliche ignoranz, gerade auch bei diesem konkreten fall, wie die oben in dem artikel zitierten.

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  2. wolltest du nicht eigentlich wegziehen und deine identitären antideutschen projektionen mit deinen pubertären blogstammtisch-freunden in berlin ausleben, stefan?
    mach das doch bitte, auf leute die linke denunzieren kann man hier getrost verzichten.

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  3. „vor dem islam und dem, was aus ihm erwächst (ob auf “falsch” interpretierte weise oder nicht), angst zu haben, ist für mich keine wirre psychose. das gilt insbesondere für menschen jüdischen glaubens.“ … „dass menschen nicht per se wegen hautfarbe, religion, herkunft ihrer großmütter und dergleichen beschimpft, bedroht, benachteiligt, verfolgt oder verletzt werden..“ – siehst du nicht den widerspruch zwischen diesen deinen beiden sätzen? im ersten satz hast du verständnis für menschen, die vor „dem islam“ (sogar egal ob falsch oder richtig verstanden!!), angst haben, im zweiten satz nimmst du alle in schutz, die wegen „ihrer religion“ benachteiligt usw. werden. deutlicher kann man sich nicht selbst widersprechen. abgesehen davon verzichtest du durch die von dir in klammern gesetzte bemerkung auf jeden anspruch analytischer prüfung und differenzierung zwischen verschiedenen formen des islam und wirfst sämtliche formen dieser religion ausdrücklich in denselben topf, von dem aus es in deiner wahrnehmung wohl einen direkten kanal zum terrorismus gibt. schäuble lässt grüßen und broder grinst.
    unabhängig von der unvergleichbarkeit in der – ganz besonders aus dem blickwinkel der deutschen geschichte festzustellenden – substanz haben heute antisemitismus und antiislamismus (als „einheits“-phänomen in deinem sinn) eine vergleichbare gesellschaftliche funktion. sie dienen der konventionalistischen revolte als ausdrucksmittel und form gesellschaftlichen bewusstseins im stil des „wir sind hier in deuschland – kopftuch runter!“, was sich leider nur graduell unterscheidet von „du scheiß-jude, ich bring dich um!“
    um mißverständnissen vorzubeugen: diese heutige funktionale äquivalenz bedeutet keineswegs, dass mir die historische unvergeichbarkeit beider phänomene gerade in deutschland nicht völlig klar ist. ihre strikt auf die gegenwart zu beschränkende vergleichbarkeit ist allerdings besonders schrecklich dann, wenn die eine minderheit hasserfüllt auf die andere losgeht. wer sich da – im metaphorischen sinn – die hände reibt, dürfte klar sein.

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  4. dass ein mensch aber gar keine völkisch-identitären („wir sind hier in deutschland!“) beweggründe braucht, durchaus das tragen eines kopftuchs als ausdruck einer fragwürdigen ideologie zu kritisieren, kommt auch in dieser gleichsetzung nicht vor.
    die „gesellschaftliche funktion“, die das naserümpfen über „undeutsches“ bei einer vielzahl von menschen hervorruft, kennen wir ja und das ist nichts neues, so gesehen gibt es eine generelle xenophobie.
    der unterschied, den ich deutlich machen wollte, ist, dass die einen deutschen aktivisten das ja fraglos bestehende verteidigen wollen – wovon der status deutschlands als einwanderungsland mit seit generationen hier mehr oder weniger gut lebenden menschen ja nichts revolutionäres, sondern einfach eine tatsache ist (wer das nicht verkraftet, tut mir nicht leid) – und die anderen alle formen faschistischer tendenz kritisieren wollen, egal welcher rassistischen zuordnung der kulturellen ghettoisierung die kritisierten vereinnahmt wurden.

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  5. eben! rassismus bleibt rassismus, egal welchen namen ich ihm gebe oder in wessen namen ich ihn verübe. Wir können nicht anhand der Opferzahlen sagen, welches Leben mehr wert ist bzw welcher rassismus schlimmer.

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