Das Rezept der NPD gegen den Neoliberalismus: Überwintern im Zelt …

Am Samstag, 17. November, 14.30 Uhr weist ein breites Frankfurter Bündnis unter dem Tiel „Frankfurt boomt – die Armut auch!“ auf dem Römerberg auf die Opfer der jahrelangen neoliberalen Politik des Sozialabbaus hin. Auch die ansonsten ja derzeit vielbeschäftigte NPD hat zu diesem Thema eine Idee: die Wiederauflage des seinerzeit von Josef Goebbels ins Leben gerufenen „Winterhilfswerks„. Die NPD fordert die „Volksgenossen und Kameraden“ auf, für „deutsche Obdachlose“ zu spenden und bezeichnet das als „nationales und sozialistisches Projekt„. Was gespendet werden soll, wird auch gleich dazu gesagt – unter anderem „Zelte und Kochgeschirr„. Tolle Idee, die uns dazu angeregt hat, das folgende Flugblatt zu verfassen:

Frankfurt boomt – die Armut auch …
und die NPD organisiert eine „Deutsche Winterhilfe“ für „deutsche Obdachlose“: Überwintern im Zelt – ein „nationales und sozialistisches Projekt“.

Im September 1933 entstand das „Winterhilfswerk des Deutschen Volkes“. Aufgrund eines Gesetzes, das die Unterschriften von Adolf Hitler und Josef Goebbels trug, unterstand es ab 1936 dem berüchtigten Reichspropagandaministerium. Sein Ziel war es, die sogenannte deutsche Volksgemeinschaft zu stärken, und zugleich die staatlichen Sozialkosten zu senken. Zur Volksgemeinschaft gehörten selbstverständlich nicht: Juden, Linke, Gewerkschafter, alle, die dem NS-Regime kritisch oder feindlich gegenüberstanden. Die zahllosen Winterhilfs-Sammelaktionen und –abzeichen, die in den Wintermonaten auf die Bevölkerung hernieder rieselten wie der Schnee, dienten allein propagandistischen Zwecken. Nie legte das NS-Regime öffentlich Rechenschaft über die gesammelten Millionenbeträge ab, die zB. durch kostenlose Sonderschichten oder Lohnverzichtsaktionen eingefahren wurden.

Die hessische NPD begeistert sich noch heute für die „deutsche Volksgemeinschaft“. Ganz wie ihre historischen NS-Vorbilder, nach denen sich die NPD-Spitzenfunktionäre Marcel Wöll oder Jörg Krebs (Frankfurt) inzwischen selber offensiv „Nazis“ nennen, unterscheiden sie säuberlich zwischen obdachlosen deutschen Volksgenossen und solchen Mitmenschen, die zufällig mit einer anderen Nationalität auf die Welt gekommen sind.

Nur für die arisch-reinen Bedürftigen bittet die NPD im Rahmen der von ihr wiederbelebten „Deutschen Winterhilfe“ um Spenden, zB. Kleidung, Zelte (?), Stiefel (?) und Kochgeschirr (?). Die Spendenwilligen werden aufgefordert, diese Utensilien praktischerweise gleich in der NPD-Zentrale in Butzbach abzuliefern. Angeblich sollen sie der Unterstützung „deutscher Obdachloser“ dienen, obwohl man angesichts der etwas seltsamen Liste benötigter Gegenstände auch leicht auf den Gedanken kommt, hier werde für etwas ganz anderes gesammelt.

Die bedürftigen garantiert rein-deutschen Obdachlosen müssen dann vermutlich, bevor sie von der NPD ihr Zelt für den Winter bekommen, zunächst mal ihren Ariernachweis bei Herrn Wöll vorlegen. Dies sei, so ein Aufruf der NPD, ein „nationales und sozialistisches Projekt“.

Gut zu wissen, wie Wöll und Krebs „sozialistisch“ definieren: Überwintern im Zelt!
Hauptsache, es ist ein deutsches, mit deutschem Schnee obendrauf und drumherum sowie einem echten deutschen Obdachlosen innendrin. Dem wird, meint die NPD anscheinend, allein schon aufgrund dieser Tatsachen wärmer ums Herz und an den Füßen.

Mit primitiven Aktionen dieser Art wird es der NPD kaum gelingen, sich bei Menschen einzuschleimen, die durch die tief unsoziale neoliberale Politik der letzten Jahre zu Recht aufgebracht sind.

Denn ganz egal, ob diese Politik von SPD und Grünen, FDP oder CDU zu verantworten war, heraus kam in unserem Land das Gleiche: Arbeitslosigkeit, Agenda 2010, Hartz IV, Zwei-Klassen-Gesundheitssystem, Rente mit 67, Studiengebühren, Privatisierung durch Ausverkauf des öffentlichen Eigentums. Dabei ist die ethnische oder kulturelle Herkunft der Opfer dieser Politik völlig gleichgültig. Betroffen sind fast alle.

Die deutschen Unternehmerverbände und Think-Tanks à la Bertelsmann-Stiftung, auf deren Betreiben diese Politik formuliert wurde, sowie die auf sie hörenden PolitikerInnen forderten und fordern Lohnverzicht, unbezahlte Mehrarbeit, ein höheres Renteneintrittsalter, Bildung nur für die, die es sich leisten können, Einführung einer verbindlichen deutschen „Leitkultur“.

Die deutschen Sicherheitsbehörden schieben zB. irakische Flüchtlinge in ihr vom Krieg verwüstetes Herkunftsland ab – nicht zuletzt über den Flughafen Rhein-Main.

Die NPD fordert im Grunde etwas sehr Ähnliches.
„Freiwilliger“ Lohnverzicht war im Nazi-Reich eine wichtige Stütze für das nun von der NPD auf Sandkasten-Niveau wiederbelebte Winterhilfswerk.
Die NPD-Forderungen „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“, „Sozialleistungen nur für Deutsche“, „Rückführung der Ausländer in ihre Heimatländer“ – so zu hören vor der staatlich geschützten NPD-Demonstration am 7. Juli hier in Frankfurt – bürden die Schuld für die unsoziale Politik von Rot-Grün und Rot-Schwarz idiotischerweise den MigrantInnen auf.
Denen kann es allerdings leider gleichgültig sein, ob sie nun „abgeschoben“ oder „rückgeführt“ werden sollen.

Damit lenkt die NPD in altbewährter, an antisemitische Traditionen anknüpfenden Weise von den eigentlichen Nutznießern der neoliberalen Politik ab. Es sind die Reichen, und zwar nicht zuletzt die deutschen Reichen, die von der neoliberalen Politik der vergangenen Jahre in einem riesigen Ausmaß profitiert haben. Noch nie klaffte die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinander wie nach drei Jahrzehnten neoliberaler Politik unterschiedlicher Koalitionen in Stadt, Ländern und Bund. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren nach Auskunft des Kinderschutzbundes zB. so viele Kinder von unmittelbarer Armut, nackter Not und dem Ausschluß aus weiten Teilen des gesellschaftlichen Lebens bedroht wie heute – Kinder unterschiedlichster Nationalitäten in unserem Land, einem der reichsten der Erde.

Dagegen hilft eine Sammlung von Zelten und Kochgeschirr gegen die Winterkälte genausoviel, wie es etwas nützt, bei den bevorstehenden Landtagswahlen NPD zu wählen: überhaupt nichts. Genausogut kann man seine Stimme oder auch seinen Sperrmüll gleich ganz wegwerfen.

Rassismus hat Tradition in Deutschland. Wohin das „nationale und sozialistische Projekt“ einer deutschen Volksgemeinschaft geführt hat, ist aus der Geschichte bekannt: Mord und Totschlag, „Schutzhaft“, fabrikmäßige Ermordung von Millionen „Artfremder“ und „Lebensunwerter“, Krieg und Verwüstung.

Die NPD möchte sich als Stimme der Benachteiligten (natürlich nur sofern sie Deutsche sind) auf-spielen. Aber sie hat im Kampf für eine solidarische, gerechte und freie Gesellschaft aller Menschen, die hier leben und arbeiten wollen, nichts zu suchen.

Besser kann es nur werden, wenn die Betroffenen der neoliberalen Politik sich solidarisch und gemeinsam wehren. Dabei spielt die Nationalität überhaupt keine Rolle.

So unterschiedlich die Einsichten, Interessen, Positionen und Wege, die Menschen auf dem Weg zu einer besseren Gesellschaft in diesem Land einschlagen wollen, sein mögen – in einem sollten wir uns deshalb alle einig sein:

Schöner leben? Ohne Nazis!

[Update: Verteilung von Kleidunggsstücken an Obdachlose in Frankfurt angekündigt]
Die NPD kündigt die Verteilung von Kleidungsstücken an deutsche Obdachlose in Frankfurt an.
In einer Pressemitteilung des NPD-Landesvorstandes heißt es dazu: „Des weiteren konnte der Landesvorsitzende mitteilen, daß die Aktion „Deutsche Winterhilfe“ pünktlich zum Start der Vorweihnachtszeit beginnen kann und daß mit der Verteilung der bisher eingesammelten Sachspenden an deutsche Obdachlose zunächst in Frankfurt am Main begonnen werden wird. „Wir waren völlig überrascht von der Spendenbereitschaft innerhalb der nationalen Opposition. Das Lager ist zum Bersten voll mit Kleidungsstücken aller Art und wir können nun – wie geplant – mit Beginn der Adventszeit die Aktion Deutsche Winterhilfe der hessischen NPD starten“, resümierte Marcel Wöll.„.
Man darf gespannt sein, wie Wöll und die Seinen die deutschen Obdachlosen von den anderen unterscheiden wollen und wie weit sie mit ihrer geheuchelten Mildtätigkeit ungestört kommen werden.

Und wir werden bei dieser Gelegenheit an die Verfolgungs- und Vernichtungspolitik des NS-Regimes gegenüber damals sogenannten „Asozialen“ erinnern!

Ein Gedanke zu „Das Rezept der NPD gegen den Neoliberalismus: Überwintern im Zelt …“

  1. Das Winterhilfswerk unterstand nicht nur dem Propagandaministerium.
    Es war eine großangelegte Kampagne der Nazis sich ein soziales Mäntelchen umzuhängen.
    Wer nicht spendete, wurde von den Sammlern als Nazigegner identifiziert und häufig auch denunziert.

    Like

Hinterlasse eine Antwort zu freund hein Antwort abbrechen